Wednesday, September 24, 2014

Doch heute zu sein… Khalil Gibran


Doch heute zu sein…
Khalil Gibran

heißt,
weise sein,wenn auch vertraut mit der Torheit;

heißt,
stark sein, aber nicht zum Schaden des Schwachen;

heißt,
mit den Kindern spielen,aber nicht als ihre Väter, sondern als ihre Kameraden,die ihre Spiele lernen wollen;

heißt,
einfach und offen sein mit den Alten und mit ihnen im Schatten betagter Eichen sitzen,obgleich ihr selber im Frühling eures Lebens steht;

heißt,
einen Dichter suchen,auch wenn er hinter sieben Flüssen wohnt, und in seiner Gesellschaft Frieden zu finden, wunschlos, ohne Zweifel und ohne Frage auf den Lippen. ;

heißt,
wissen, daß der Heilige und der Sündige Zwillingsbrüder sind, deren Vater unser Barmherziger König ist, und daß der eine nur kurz vor dem anderen geboren wurde, weshalb wir ihn als Kronprinzen betrachten;

heißt,
der Schönheit folgen, auch wenn sie zum Rande des Abgrunds führt; und wenn sie Flügel hat, ihr aber ohne Flügel seid, ihr folgen, auch wenn sie über den Abgrund geht, denn wo keine Schönheit ist, da gibt es nichts;

heißt,
ein Garten sein ohne Mauern, ein Weinberg ohne Wächter, eine Schatzkammer, immer offen stehend für Besucher;

heißt,
auch wenn man betrogen, bestohlen und ausgenutzt, ja, getäuscht, irregeführt und bespottet wird, trotz allem von der Höhe eures grösseren Ichs herabzuschauen und zu lächeln in der festen Überzeugung, dass es einen Frühling für euren Garten geben wird, der in euren Blättern tanzen wird, sowie einen Herbst, der eure Reben reifen lässt.

heißt,
wissen,daß ihr nur ein Fenster nach Osten öffnen müßt, um niemals allein zu sein, und wissen, daß alle, die für Übeltäter und Räuber gehalten werden, eure Brüder in der Not sind, die ihr braucht, und daß ihr selbst all das seid in den Augen der seligen Bewohner der Unsichtbaren Stadt jenseits von uns.

Und nun sage ich euch, deren Hände all jene Dinge finden und formen, die nötig sind für unser Wohlergehen bei Tag und bei Nacht: Zu sein bedeutet,
ein Weber zu sein mit sehenden Fingern, ein Baumeister, der Licht und Raum beachtet, ein Bauer, dem bewusst ist, dass er mit jedem Samenkorn einen Schatz vergräbt; ein Fischer und Jäger zu sein mit Mitgefühl für den Fisch und das Wild, aber mit noch grösserem Erbarmen über den Hunger des Menschen.

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