SaΓ ich frΓΌh auf einer Felsenspitze,
Sah mit starren Augen in den Nebel;
Wie ein grau grundiertes Tuch gespannet,
Deckt' er alles in die Breit und HΓΆhe.
Stellt' ein Knabe sich mir an die Seite,
Sagte: "Lieber Freund, wie magst du starrend
Auf das leere Tuch gelassen schauen?
Hast du denn zum Malen und zum Bilden
Alle Lust auf ewig wohl verloren?"
Sah ich an das Kind und dachte heimlich:
"Will das BΓΌbchen doch den Meister machen!"
"Willst du immer trΓΌb' und mΓΌΓig bleiben",
Sprach der Knabe, "kann nichts Kluges werden:
Sieh, ich will dir gleich ein Bildchen malen,
Dich ein hΓΌbsches Bildchen malen lehren."
Und er richtete den Zeigefinger,
Der so rΓΆtlich war wie eine Rose,
Nach dem weiten, ausgespannten Teppich,
Fing mit seinem Finger an zu zeichnen:
Oben malt' er eine schΓΆne Sonne,
Die mir in die Augen mΓ€chtig glΓ€nzte,
Und den Saum der Wolken macht' er golden,
LieΓ die Strahlen durch die Wolken dringen;
Malte dann die zarten, leichten Wipfel
Frisch erquickter BΓ€ume, zog die HΓΌgel,
Einen nach dem andern, frei dahinter;
Unten lieΓ er's nicht an Wasser fehlen,
Zeichnete den FluΓ so ganz natΓΌrlich,
DaΓ er schien im Sonnenstrahl zu glitzern,
DaΓ er schien am hohen Rand zu rauschen.
Ach, da standen Blumen an dem Flusse,
Und da waren Farben auf der Wiese,
Gold und Schmelz und Purpur und ein GrΓΌnes,
Alles wie Smaragd und wie Karfunkel!
Hell und rein lasiert' er drauf den Himmel
Und die blauen Berge fern und ferner,
DaΓ ich ganz entzΓΌckt und neu geboren
Bald den Maler, bald das Bild beschaute.
"Hab ich doch", so sagt' er, "dir bewiesen,
DaΓ ich dieses Handwerk gut verstehe;
Doch es ist das Schwerste noch zurΓΌcke."
Zeichnete darnach mit spitzem Finger
Und mit groΓer Sorgfalt an dem WΓ€ldchen,
Grad ans Ende, wo die Sonne krΓ€ftig
Von dem hellen Boden widerglΓ€nzte,
Zeichnete das allerliebste MΓ€dchen,
Wohlgebildet, zierlich angekleidet,
Frische Wangen unter braunen Haaren,
Und die Wangen waren von der Farbe
Wie das Fingerchen, das sie gebildet.
"O du Knabe!" rief ich, "welch ein Meister
Hat in seine Schule dich genommen,
DaΓ du so geschwind und so natΓΌrlich
Alles klug beginnst und gut vollendest?"
Da ich noch so rede, sieh, da rΓΌhret
Sich ein Windchen und bewegt die Gipfel,
KrΓ€uselt alle Wellen auf dem Flusse,
FΓΌllt den Schleier des vollkommnen MΓ€dchens,
Und was mich Erstaunten mehr erstaunte,
FΓ€ngt das MΓ€dchen an, den FuΓ zu rΓΌhren,
Geht zu kommen, nΓ€hert sich dem Orte,
Wo ich mit dem losen Lehrer sitze.
Da nun alles, alles sich bewegte,
BΓ€ume, FluΓ und Blumen und der Schleier
Und der zarte FuΓ der AllerschΓΆnsten:
Glaubt ihr wohl, ich sei auf meinem Felsen
Wie ein Felsen still und fest geblieben?